Dr. Falk Richter, Dipl.-Psych.

Dr. Falk Richter,
Dresden




28.03.2012:

Warum ich für die Frauenquote bin

Tags: Demografischer Wandel und Fachkräftemangel Führungskompetenz und Mitarbeiterführung Vorurteile, Stereotype, Diskriminierung


Derzeit wird viel und zum Teil recht heftig über das Thema Frauenquote in Führungsetagen diskutiert. Während die Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen für eine gesetzliche Frauenquote eintritt, plädiert Familienministerin Kristina Schröder für eine freiwillige Selbstverpflichtung und eine "Flexiquote". Nun möchte allerdings auch die EU eine gesetzliche Frauenquote:

Führungspositionen: EU will europaweite Frauenquote
(Wirtschaftswoche)

40 Prozent Frauen in Aufsichtsräten - das fordert EU-Kommissarin Viviane Reding.

Wenn ich mir anschaue, welche Chancen Frauen hierzulande haben, ins Top-Management zu gelangen, möchte ich sagen: Eine Frauenquote ist (leider) notwendig.

Nach Feststellung des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugend waren im Jahr 2010 in den 200 größten Unternehmen gerade einmal 10.6 Prozent der Aufsichtsratspositionen und 3.2 Prozent der Vorstandspositionen mit Frauen besetzt.

Ich glaube, dass unter gleichen Entwicklungsbedingungen Frauen gleichermaßen für Top-Positionen geeignet sind. Allerdings sind diese Entwicklungsbedingungen aktuell noch lange nicht gleich. Eine wichtige Rolle spielen dabei zum einen die Möglichkeiten für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und die häufig noch allein bei der Frau liegende Verantwortung für die Betreuung der Kinder. Zum anderen haben Stereotype, Vorurteile und daraus resultierende Erwartungen schwer wiegende Auswirkungen nicht nur auf das Entscheidungsverhalten von Personalern, sondern auch auf die Motivation und das Leistungsverhalten betroffener Frauen! Wenn Frauen ausnahmsweise doch in solche Positionen gelangen, so müssen sie sich dafür in der Regel ungleich mehr anstrengen als ihre männlichen Kollegen.

Für die Unternehmen, die meinen, sie würden keine geeigneten Frauen für das Top-Management finden, gilt dasselbe wie für alle Unternehmen, die über einen Mangel an Fachkräften jammern: Fachkräfte findet man nicht auf der Straße! Vielmehr ist es Aufgabe der Unternehmen, selbst etwas für Entwicklung und die Bindung qualifizierter Mitarbeiter zu tun! Kein Hochschulabsolvent kann unmittelbar nach Abschluss seines Studiums zum Vorstand werden. Dazu ist es notwendig, sich vorher in verschiedenen Führungspositionen des Unternehmens zu bewähren und dabei weiterzuentwickeln. Das gilt für Männer wie für Frauen!

Ich halte daher eine Quote zwischen 30 und 40 Prozent durchaus für angemessen. Eine Quote kann dazu dienen, dass Männer in Vorstandsetagen die Erfahrung machen, dass es auch mit Frauen funktioniert! Die Quote sollte dabei nicht zu gering aber auch nicht so hoch sein, dass auf der anderen Seite eine Diskriminierung von Männern wahrscheinlich ist. (Eine positive Diskriminierung bisher benachteiligter Gruppen halte ich für falsch. So etwas erzeugt zwangsläufig Reaktanz bei den neu Benachteiligten.)

Die Überwindung von Stereotypen und Vorurteilen ist ein Prozess, der sich nicht von jetzt auf gleich vollzieht. In der Sozialpsychologie weiß man auch, dass Menschen das Bestreben haben, an Stereotypen und Vorurteilen möglichst lange festzuhalten. Wenn die Quote zu niedrig ist und z.B. nur eine einzelne Frau in eine solche Position gelangt, besteht das Risiko, dass Stereotype und Vorurteile beibehalten werden. Erweist sich eine solche Frau als erfolgreich, so wird sie als Einzelfall erlebt, die überhaupt nicht typisch für alle Frauen ist. Dafür lassen sich dann subjektiv immer wieder Erklärungen finden. Erweist sich diese Frau dagegen als wenig erfolgreich, liefert sie damit eine Bestätigung für die vorhandenen Vorurteile. Hat man es dagegen mit mehreren Frauen zu tun, so wird sich zwangsläufig zeigen, dass sie ebenso wie ihre männlichen Kollegen keine einheitliche Gruppe von Menschen darstellen, sondern sehr unterschiedliche Herangehensweisen an Probleme zeigen und dabei auch mehr oder weniger erfolgreich sein können.

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Mit dem Themenbereich Stereotype, Vorurteile und Diskriminierung habe ich mich in den letzten Jahren relativ ausführlich im Rahmen meiner Tätigkeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter im universitären Bereich auseinandergesetzt.

Heute beschäftige ich mich damit auch und vor allem im Zusammenhang mit demografieorientierter Personalarbeit. Ein wichtiger Aspekt ist dabei der Abbau von Vorurteilen gegenüber einer weiteren häufig diskriminierten Gruppe von Beschäftigten - den Älteren.

Update: Beachten Sie bitte dazu auch diesen neuen Beitrag zum Beschluss einer Frauenquote für Aufsichtsräte im März 2015 im Bundestag.

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